DER STANDARD-Kommentar: „Anschlag auf den Parlamentarismus“ von Alexandra Föderl-Schmid

Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt die nächste
Zumutung daher. Jetzt soll eine von Finanzminister Michael
Spindelegger ausgesuchte frühere Richterin als Aufklärerin in Sachen
Hypo eingesetzt werden. Das ist eine Alibiaktion, die einen
parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht ersetzt. Denn es geht
um die politische Verantwortung, die dort geklärt werden muss, wo sie
hingehört: in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Es geht um das Versagen der Politik: um Aktivitäten von Jörg
Haider und der FPÖ, sowie die Zustimmung von ÖVP und SPÖ im Kärntner
Landtag. Gleiches gilt für das Agieren der Finanzminister Josef Pröll
und Maria Fekter, ÖVP.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat viel mehr Rechte
und Möglichkeiten als eine auf Geheiß des Ministers eingesetzte
Expertenkommission. Die Parlamentarier können Akten anfordern und
Zeugen laden, die außerdem zu wahrheitsgemäßen Aussagen verpflichtet
sind, sonst drohen ihnen bis zu drei Jahren Haft. Experten kann die
Auskunft verweigert werden – das hat keine Konsequenzen. Die Arbeit
der Kommission kann in aller Stille erledigt werden, während im
parlamentarischen Gremium die Aufarbeitung im Lichte der
Öffentlichkeit geschieht. In Deutschland werden Ausschusssitzungen
sogar live im Fernsehen übertragen.

Da Bundeskanzler Werner Faymann nach Auskunft seines Vizes hinter
dem Vorschlag steht, müssen sich beide Regierungsparteien den Vorwurf
gefallen lassen, dass sie an einer echten Aufklärung gar nicht
interessiert sind, sondern nur dem öffentlichen Druck nachgeben
wollen. Wer sich selbst seine Kontrollore aussucht, begibt sich in
den Verdacht, es soll möglichst wenig dabei herauskommen.

Es rächt sich, dass in der vergangenen Legislaturperiode trotz
eindeutiger Zusagen der damaligen Klubobleute Karl-Heinz Kopf und
Josef Cap die Einrichtung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses nicht als Minderheitenrecht fixiert worden
ist. Auch das ist in Deutschland der Fall. Dass sich Spindelegger,
wie am Wochenende in den Interviews geschehen, einfach abputzt und
meint, das sollten die Parlamentarier entscheiden, ist eine weitere
Zumutung. Auch für die Koalitionsabgeordneten, die den Unmut der
Menschen merken, sich aber an die auch im Regierungspakt
festgeschriebene Koalitionsdisziplin gebunden fühlen. Einzig die
junge SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger hat mit der Opposition für
die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gestimmt.

Wie groß der Unmut in der Bevölkerung ist, zeigt auch die
inzwischen von mehr als 70.000 Menschen unterzeichnete
Online-Petition für einen Hypo-U-Ausschuss. Immerhin ist die
Zuweisung an den Finanzausschuss und damit ein vorzeitiges „Abdrehen“
des Sammelns von Unterstützungserklärungen vorerst vom Tisch.

All das ist ein Anschlag auf den Parlamentarismus in Österreich
und auf die Gewaltenteilung. Das freie Mandat steht in der
Verfassung, darauf können und sollten sich die Volksvertreter berufen
und unabhängig von ihrer Partei und der Regierungskonstellation
Entscheidungen treffen.

Das darf nicht nur das Abnicken von Milliarden für das
Hypo-Debakel sein, damit degradieren sich die Abgeordneten zu
Parteisoldaten. Das Volk der Steuerzahler hat ein Recht auf
Aufklärung, und ihre Vertreter im Nationalrat sollten das wahrnehmen
und für ihre Rechte im Parlament kämpfen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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