DER STANDARD-Kommentar: „Rot-schwarze Schönwettermacher“ von Gerald John

Keine Blasmusik, keine Hüttengaudi, kein sonstiges
bei derartigen Events übliches Theater: Nüchtern und betriebsam legte
die Regierung ihre Klausur in Waidhofen an der Ybbs an.

Selbstdarstellung vor den Kameras gab es nur in Minutendosis, die
Minister ließen sich weder zu Egotrips noch zu gegenseitigen
Anbiederungen hinreißen. In den Worten von Kanzler Werner Faymann:
„Es muss etwas zwischen Streiten und Kuscheln geben – die Arbeit.“

Die Binnensicht des enttäuschten, weil mit Attraktionen
unterversorgten Journalisten einmal ausgeblendet: Es steht den
Koalitionären durchaus gut zu Gesicht, Inhalten demonstrativen
Vorrang einzuräumen. Substanzlose Posen und leere Worte hat diese
Regierung in ihrer kurzen Amtszeit schließlich schon zur Genüge
produziert. Auf vielen Seiten ihres Arbeitsprogramms lauert das in
umständliche Sätze verpackte Nichts.

Wer Regierungsvertreter darauf ansprach, erntete in den
vergangenen Tagen oft Verweise auf die nahende Klausur. Vages
konkretisieren wollten SPÖ und ÖVP da, Pläne für Investitionen und
Einsparungen vorlegen. Doch die vom ersten Tag ihrer Wiedergeburt an
dahinstolpernde Koalition blieb sich treu: Sie hat die
selbstgeschürten Erwartungen enttäuscht.

In den 24 Stunden hat die Regierung nicht einmal jenen Sack
zugemacht, der bereits gut vorbereitet dastand. Zwar steht jetzt
fest, dass die Familienbeihilfe stufenweise und nicht auf einen
Schlag erhöht wird, doch das konkrete Modell bleibt nach wie vor
unklar. In der Sache ist das kein Beinbruch, solange der erste
Auszahlungstermin im Juli hält, symbolisch aber alles andere als ein
Zeugnis von Durchschlagskraft. Da will die Regierung einmal
Erfreuliches verkünden, weiß aber nicht genau, was.

Kleiner PR-Tipp am Rande für die neue Familienministerin Sophie
Karmasin (ÖVP): Es ist nicht rasend schlau, vorab eine
Beihilfeerhöhung von insgesamt einer Milliarde Euro in fünf Jahren zu
versprechen, wenn hinterher weniger rauskommt. So wird ein reales
Plus in den Köpfen der Bürger rasch zu einem gefühlten Minus.

Mäßig ergiebig ist der Rest der Resultate: Abgesehen von der
Ausbildungsgarantie bis zum Alter von 18 Jahren und einer sicher
sinnvollen Einstellungshilfe für ältere Arbeitslose wurde die
Regierung nicht konkreter als im Programm. Bände spricht aber vor
allem, was sie nicht verkündete. Vor der Klausur gab Faymann
„Investieren und Sparen“ als Motto aus – um den zweiten Teil dann
unter den Tisch fallen zu lassen.

Das hat etwas von manisch-depressiver Sprunghaftigkeit: Bei den
Regierungsverhandlungen stritten SPÖ und ÖVP beinahe hysterisch über
die letztlich mit 18 Milliarden bezifferte Budgetlücke, jetzt ist
plötzlich keine Rede mehr davon. Die bekannten Steuererhöhungen und
Einsparungen nach der Rasenmähermethode reichen vielleicht für den
Staatshaushalt 2014, nie aber für den gesamten Finanzbedarf. Über das
Morgen schweigt sich die Regierung aus. Anders als bei früheren
Sparpaketen legt sie keinen konkreten Konsolidierungspfad vor.

Es ist schon verständlich, wenn eine Regierung bei einer Klausur
Frohbotschaften den Grauslichkeiten vorzieht. Doch die Schattenseiten
völlig auszublenden mag zwar die innerkoalitionäre Harmonie steigern,
untergräbt aber die eigene Glaubwürdigkeit. Kein Mensch traut einem
Schönwettermacher, wenn am Horizont bereits die Gewitterwolken
aufziehen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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